Bossing - Mobbing - Staffing

Mag. Kreiml Günther

Mobbing bedeutet, dass eine Person oder eine Gruppe schikaniert und ausgegrenzt wird. Dies kann am Arbeitsplatz aber auch in einer anderen sozialen Umgebung stattfinden. Mobbing kann von gleichgestellten, vorgesetzten (Bossing) oder untergebenen (Staffing) Mitarbeitenden betrieben werden. Die gemobbten Personen geraten durch die Gruppendynamik in eine unterlegene Position, aus der sie alleine nicht mehr herauskommen können. Sie werden durch das System in dieser Rolle fixiert.

Mobbing beginnt meist bei allgemeiner Unzufriedenheit der Mitarbeitender, wenn Konflikte nicht gelöst werden, bei Fusionen und Umstrukturierungen oder wenn am Arbeitsplatz der Druck zunimmt. Der Zeitfaktor spielt insofern eine Rolle, als man per Definition nur dann von Mobbing spricht, wenn Mobbing-Handlungen systematisch, häufig und wiederholt auftreten und sich über einen längeren Zeitraum erstrecken.

In Österreich fehlt derzeit noch ein eigenes Mobbing-Gesetz. Daher wird wird heute noch oft zur Diagnose und bei Gerichtsprozessen die Definition von Leymann (1995) beigezogen. Sie besagt, dass Mobbing nur gegeben ist, wenn die Mobbing-Handlungen mindestens einmal pro Woche statt finden und mindestens ein halbes Jahr lang andauern. Über die rechtliche Situation und mögliche Schritte informieren Mobbingberatungsstellen wie etwa jene der Arbeiterkammer.



Mobbing-Dynamik

1. Phase - Schlechte Konfliktbewältigung: Am Anfang eines Mobbing-Prozesses steht gemäss Leymann oft ein unausgetragener Konflikt, der mit der Zeit am Arbeitsplatz unterschwellig weiter wirkt und das Klima vergiftet. Allgemein herrscht eine aggressivere, gereizte Stimmung unter den Mitarbeitenden, es wird aber - zum Teil aus Angst - nichts dagegen unternommen.

2. Phase - Feindseligkeiten: Spitze Bemerkungen und Gehässigkeiten gegenüber bestimmten Personen sind gemäß dem Sündenbock-Phänomen die Folge. Es entsteht ein Ungleichgewicht. Die Feindseligkeiten nehmen zu und richten sich gezielt gegen eine bestimmte Person oder Gruppe. Der ursprüngliche Konflikt tritt dabei in den Hintergrund. Es kommt zur Polarisierung in eine Opferrolle und eine Täterrolle. Auch bilden sich Mythen über die betroffene Person (z.B. "Wenn Frau K. nicht im Team wäre, könnten wir viel schneller arbeiten").

3. Phase - Rechts- und Machtübergriffe: Mit der gemobbten Person will jetzt niemand mehr zusammenarbeiten. Sie wird weder akzeptiert noch respektiert. Dadurch wird sie zusehends unsicher, macht Fehler und fällt auf. Ihr schlechtes Befinden, das erst durch Mobbing entstanden ist, dient zur Rechtfertigung weiter gehender Ausgrenzungsakte. Der reguläre Arbeitsablauf wird gestört, sodass der Betrieb die Gemobbten zunehmend als lästig empfindet. Es wird ihnen nahe gelegt zu kündigen. Die körperliche und psychische Gesundheit des Mobbing-Opfers verschlechtert sich weiter bis hin zu schweren Erkrankungen.

4. Phase: Ärztliche Fehldiagnosen: Nach Resch (1994) verfügen viele Ärzte nur über geringe Kenntnis der Arbeitswelt. Deswegen können sie oft nicht verstehen, wie jemand an Problemen am Arbeitsplatz erkranken kann. Die Folge davon sind Fehldiagnosen und es wird verabsäumt, psychologische Behandlung in Anspruch zu nehmen.

5. Phase - Ausschluss aus der Arbeitswelt: Am Ende des Mobbing-Prozesses steht meist der Ausschluss der Betroffenen vom Arbeitsplatz in Form von langfristiger Krankschreibung, Frührente oder Kündigung. Im Extremfall versuchen Betroffene ihre Konflikte am Arbeitsplatz mit Gewalt zu lösen, oder Selbstmord zu begehen.



Auswirkungen von Mobbing

Psychosozialer Stress und Mobbing wirken sich sowohl auf die betroffene Person oder Gruppe als auch auf den Betrieb wirtschaftlich negativ aus und können Krankenstände verursachen und die Arbeitsleistung herabsetzen.

Individuelle Ebene: Die Betroffenen leiden unter deutlich erhöhter Gereiztheit, Schuldgefühlen, Isolation, psychosomatischen Beschwerden, Schlafstörungen, Depressionen, Burnout-Syndrom und vermindertem Selbstwertgefühl. Ferner können generalisierte Angstzustände, Persönlichkeitsveränderungen, Abhängigkeiten oder das Posttraumatische Belastungssyndrom auftreten. Etwa 10 - 20% der Betroffenen unternehmen einen Selbstmordversuch.

Unternehmensebene: Der wirtschaftliche Schaden für den einzelnen Betrieb kann sehr hoch werden. Gestresste Personen machen viel mehr Fehler, die Unfallrate steigt, es gibt mehr Absenzen wegen Krankheit, die Konzentration der Betroffenen lässt nach und die Produktion sinkt. Innere Kündigungen und das Burnout-Syndrom beeinträchtigen nicht nur die Arbeitsleistung von Einzelnen, sondern sie wirken sich oft auch auf das ganze Team leistungsmindernd aus. Das gesamte Betriebsklima kann angesteckt werden. Dies bewirkt meist erhöhte Personalfluktuation. Die Betriebskosten steigen und Know-how geht verloren. Man schätzt den betriebswirtschaftlichen Schaden eines einzigen Mobbingfalles auf €40.000.- bis €400.000.-, oft wird auch von einem Jahressalär gesprochen.

Gesellschaftliche Ebene: Die Folgen für die Gesellschaft sind erhöhte Ausgaben der Unfall-, Kranken-, Arbeitslosen- Versicherungen, eine Minderung des Bruttosozialproduktes und eine größere Anzahl von psychisch stark belasteten Menschen. Man rechnet damit, dass jede zehnte Person einmal im Leben Opfer von Mobbing wird. Die Abnahme der Solidarität, zunehmende Gleichgültigkeit und eine Verrohung im zwischenmenschlichen Umgang fördern diesen Umstand. Aufgrund der Ungerechtigkeiten verlieren viele Betroffene ihr Vertrauen zum Rechtsstaat.



Wie Sie sich schützen

Da Mobbing häufig aus ungelösten Konflikten entsteht, sollten diese möglichst immer gelöst werden, wenn nötig auch mit der Hilfe eines Psychologen oder Mediators. Sie sollten bereits auf die ersten Mobbing-Handlungen reagieren, und die Täter auffordern diese zu unterlassen. Holen Sie sich frühzeitig Unterstützung bei Vorgesetzten, Personalvertretern oder Sicherheitsbeauftragten und nehmen Sie eine psychologische Beratung in Anspruch. Führen Sie jedenfalls ein Mobbing-Tagebuch und sammeln Sie Beweise über die Angriffe für die psychologische Diagnose und eventuelle rechtliche Schritte.



Behandlung bei Mobbing

Klienten lernen in der psychologischen Behandlung ihre Werte und Ziele neu festzulegen. Es wird ein Gefühl der Sicherheit aufgebaut, dass sie mit ihrem Problem nicht mehr allein gelassen werden, wie dies häufig vor dem Beginn der Behaldung erlebt wurde. Sie werden bei ihren Entscheidungen und bei der Erarbeitung von Lösungswegen für die berufliche Zukunft begleitet. Eckpfeiler der psychologischen Behandlung sind:

  • Analyse der Eigen- und Fremdanteile an dem Arbeitsplatzkonflikt
  • Erlernen neuer Konfliktlösestrategien
  • Selbstsicherheits- und Problemlösetraining
  • Erweiterung der sozialen Kompetenz
  • Verbesserung der Stressbewältigungsfähigkeit
  • Entspannungstraining


Mobbing-Handlungen nach Leymann

Der bedeutende Mobbing-Forscher Heinz Leymann klassifizierte die 45 verschiedenen, von ihm beobachteten Mobbing-Handlungen in die folgenden fünf Gruppen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass oftmals eine Mobbing-Handlung alleine noch kein Mobbing ausmacht.

1. Angriffe auf die Möglichkeiten, sich mitzuteilen

  • Der Vorgesetzte schränkt die Möglichkeiten ein, sich zu äußern.
  • Man wird ständig unterbrochen.
  • Kollegen schränken die Möglichkeiten ein, sich zu äußern.
  • Anschreien oder lautes Schimpfen.
  • Ständige Kritik an der Arbeit.
  • Ständige Kritik am Privatleben.
  • Telefonterror.
  • Mündliche Drohungen.
  • Schriftliche Drohungen.
  • Kontaktverweigerung durch abwertende Blicke oder Gesten.
  • Kontaktverweigerung durch Andeutungen, ohne dass man etwas direkt ausspricht.

2. Angriffe auf die sozialen Beziehungen

  • Man spricht nicht mehr mit dem Betroffenen.
  • Man lässt sich nicht ansprechen.
  • Versetzung in einen Raum weitab von den Kollegen.
  • Den Arbeitskollegen/innen wird verboten, den/die Betroffenen anzusprechen.
  • Man wird "wie Luft" behandelt.

3. Auswirkungen auf das soziale Ansehen

  • Hinter dem Rücken des Betroffenen wird schlecht über ihn gesprochen.
  • Man verbreitet Gerüchte.
  • Man macht jemanden lächerlich.
  • Man verdächtigt jemanden, psychischkrank zu sein.
  • Man will jemanden zu einerpsychiatrischen Untersuchung zwingen.
  • Man macht sich über eine Behinderung lustig.
  • Man imitiert den Gang, die Stimme, oder Gesten, um jemanden lächerlich zu machen.
  • Man greift die politische oderreligiöse Einstellung an.
  • Man macht sich über das Privatlebenlustig.
  • Man macht sich über die Nationalität lustig.
  • Man zwingt jemanden, Arbeiten auszuführen, die das Selbstbewusstsein verletzen.
  • Man beurteilt den Arbeitseinsatz in falscher od. kränkender Weise.
  • Man stellt die Entscheidungen des Betroffenen in Frage.
  • Man ruft ihm/ihr obszöne Schimpfworte o. a. entwürdigende Ausdrücke nach.

4. Angriffe auf die Qualität der Berufs- u. Lebenssituation

  • Man weist dem Betroffenen keine Arbeitsaufgaben zu.
  • Man nimmt ihm jede Beschäftigung am Arbeitsplatz.
  • Man gibt ihm sinnlose Arbeitsaufgaben.
  • Man gibt ihm Aufgaben weit unter eigentlichem Können.
  • Man gibt ihm ständig neue Aufgaben.
  • Man gibt ihm "kränkende" Arbeitsaufgaben.
  • Man gibt dem Betroffenen Arbeitsaufgaben, die seine Qualifikation übersteigen.

5. Angriffe auf die Gesundheit

  • Zwang zu gesundheitsschädlichen Arbeiten.
  • Androhung körperlicher Gewalt.
  • Anwendung leichter Gewalt, zum Beispiel um jemandem einen "Denkzettel" zu verpassen.
  • Körperliche Misshandlung.
  • Man verursacht Kosten für den/die Betroffene, um ihm/ihr zu schaden.
  • Man richtet physischen Schaden im Heim oder am Arbeitsplatz des/der Betroffenen an.
  • Sexuelle Handgreiflichkeiten.

Mobbing-Prozessdokumentation

Eine Prozessdokumentation (früher als Mobbing-Tagebuch bezeichnet) kann am PC oder auf Papier geführt werden und sollte Aussagen wörtlich zitieren. Es sollte zur Sicherung der Beweiskraft mindestens folgende Punkte enthalten: